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Sat Missing Link: Müllhalde Weltraum – wie nachhaltig ist Satellitenkommunikation? Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Der Weltraum vermüllt zusehends. Weltraumschrott bedroht unter anderem Satelliten zur Wetterbeobachtung und Klimaforschung – mit gravierenden Folgen.





Ein Mann sägt an einem Ast, auf dem er gerade selbst sitzt – schon vor Jahrhunderten erheiterten Bänkelsänger ihr Publikum mit diesem Bild. Die damit beschriebene Dummheit hat sich dennoch bis heute erhalten. Ein eindringliches Beispiel dafür lieferte in jüngerer Zeit die US-Firma Swarm Technologies, die ein satellitengestütztes globales Kommunikationsnetzwerk für das Internet der Dinge aufbauen will.

Als sie am 12. Januar 2018 an Bord einer indischen PSLV-Rakete ihre ersten vier Satelliten in den Orbit brachte, geschah das trotz des ausdrücklichen Verbots der US-Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission). Damit hat Swarm den ersten unautorisierten Start eines kommerziellen Satelliten überhaupt zu verantworten – und hat dem Ast, der nicht nur die Firma, sondern eine ganze Branche tragen soll, zum Auftakt erst einmal einen kräftigen Hieb mit der Axt versetzt.

Umlaufbahnen könnten unbrauchbar werden

Die FCC hatte die Genehmigung verweigert, weil die Satelliten mit ihrer Größe von etwa 10 x 10 x 2,8 Zentimetern (entsprechend etwa ¼ U, der Standardgröße von 10x10x10 cm für Cubesats) zu klein waren, um sie kontinuierlich verfolgen zu können. Damit, so die FCC, sei es nicht möglich, andere Satellitenbetreiber vor möglichen Kollisionen zu warnen. Der Start der „Spacebee“ genannten Satelliten durch Swarm Technologies sei daher „nicht im öffentlichen Interesse“.

Mit ihrem ruppigen Verhalten hat die im kalifornischen Silicon Valley beheimatete Firma die seit über 40 Jahren bekannten Grenzen des Wachstums im erdnahen Weltraum ignoriert: Bereits im Jahr 1978 publizierte der Astronom und NASA-Mitarbeiter Donald J. Kessler seine mittlerweile berühmte Studie, die zeigte, dass Kollisionen künstlicher Satelliten im Erdorbit ähnlich einer Kettenreaktion unweigerlich zu einer kaskadenhaften Zunahme der Zahl von Trümmerteilen führen. Langfristig, so seine damalige Prognose, könnten besonders belastete Umlaufbahnen dadurch komplett unbrauchbar werden.

"Friedhofsorbit" günstiger als kontrollierter Absturz

Mittlerweile ist das keine Prognose mehr, sondern spürbare Realität. Maßnahmen gegen die Bedrohung durch Weltraummüll machten bei Satelliten im geostationären Orbit bereits etwa 5 bis 10 Prozent der Gesamtkosten aus, schreibt das Directorate for Science, Technology and Innovation (STI) der OECD in einem Bericht vom April dieses Jahres.

Für erdnahe Umlaufbahnen, so die Vermutung der Autoren der Studie, dürften die Kosten noch deutlich höher liegen. Zwar hielten sich die Betreiber solcher Satelliten mit der Veröffentlichung verlässlicher Zahlen zurück. Technologisch sei es jedoch im Verhältnis zu den Gesamtkosten aufwendiger und damit teurer, einen Satelliten aus mehr als 650 km Höhe gezielt zum Absturz zu bringen, als ihn aus dem geostationären Orbit in 36.000 km Höhe in den mehrere hundert Kilometer höheren „Friedhofsorbit“ zu heben. Die Betreiber geostationärer Satelliten seien aber nicht nur deswegen eher bereit, sich an die Regeln zur Vermeidung von Weltraummüll zu halten. Die Investitionen in die einzelnen Satelliten liege in der Regel um ein Vielfaches höher als bei ihren tiefer fliegenden Geschwistern, ebenso deren Lebensdauer. Zusammen mit den hohen Gewinnen, die sich weiterhin damit erzielen ließen, resultiere ein gemeinsames Interesse aller hier aktiven Unternehmen und Behörden, den Orbit sauber zu halten.

Mit Redundanz gegen geplante Verluste

Im erdnahen Orbit dagegen seien im Jahr 2017 nur die Hälfte der Satelliten, deren Betrieb eingestellt wurde, auch entfernt worden. Bei Betrachtung der Satelliten in Umlaufbahnen über 650 km, wo der atmosphärische Widerstand allein nicht mehr ausreicht, um den Absturz innerhalb von 25 Jahren (wie in internationalen Richtlinien gefordert) zu gewährleisten, liege der Anteil sogar nur bei 20 Prozent. Hier kalkulieren die Betreiberfirmen offensichtlich anders: Der Verlust einzelner Satelliten wird in Kauf genommen und durch Redundanz aufgefangen. Von vornherein werden mehr Satelliten als nötig in den Orbit transportiert, damit Reservekapazitäten zur Verfügung stehen.

Orbitaler Müll: Umschlagpunkt bereits 2030 erreicht?

Was das Geschäftsmodell des jeweiligen Unternehmens kurzfristig zunächst einmal absichert, verschärft aber zugleich das langfristige Problem des Weltraummülls. Die Spacebee-Satelliten etwa kreisen ungefähr acht Jahre lang um die Erde, ehe sie wieder in die Atmosphäre eintauchen und dort verglühen. Da sie über keinen eigenen Antrieb verfügen, können sie in dieser Zeit auch keine Ausweichmanöver vollziehen. Wenn sie bei Kollisionen zertrümmert werden, werden die Bruchstücke zum Teil auch in größere Höhen geschleudert und tragen nach und nach dazu bei, den erdnahen Weltraum komplett unbrauchbar zu machen. Es sei schwer vorherzusehen, wann ein solcher Zustand eintrete, bemerkt die OECD-Studie. Einigen Modellrechnungen zufolge könne es aber schon in wenigen Jahrzehnten geschehen. Ein Bericht des US National Research Council sei im Jahr 2011 sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass der ökologische Umschlagpunkt, von dem an der orbitale Müll sich selbst erhalte, bis 2030 erreicht sein könnte. Der ökonomische Punkt, von dem an es sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt, Satelliten im erdnahen Orbit zu betreiben, könne gleichwohl deutlich früher erreicht werden. Auch bemannte Raumfahrt wäre in dieser Höhe dann wahrscheinlich zu riskant.

Besonders belastet sind derzeit Umlaufbahnen, die in 600 bis 800 Kilometer Höhe über die Pole führen und insbesondere von Satelliten zur Wetter- und Klimabeobachtung genutzt werden. Hier schwirren etliche dickere Brocken unkontrollierbar durchs All. Envisat etwa, der europäische Umweltsatellit, der selbst zum Umweltproblem geworden ist, seit vor acht Jahren der Kontakt zu ihm abbrach, ist der dickste von allen. 26 mal 10 mal 5 Meter misst der Acht-Tonnen-Koloss. Auf seiner Bahn fliegt er mehrmals täglich mit weniger als 5 Kilometern Abstand an anderen größeren Objekten vorbei, dem ebenfalls funktionslosen Iridium-44 etwa, Raketenoberstufen oder Trümmern von Iridium-33. Der wurde am 10. Februar 2009 bei einer Kollision mit dem russischen Satelliten Kosmos 2251 in mindestens 528 Trümmerstücke zerlegt, für Kosmos 2251 wurden 1347 gezählt. Bei Relativgeschwindigkeiten bis zu 15 km/s ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Envisat pulverisiert wird. Seine Verweildauer wird auf etwa 150 Jahre geschätzt. Ob das reichen wird, um ihn am Ende in einem Stück in der Atmosphäre verglühen zu lassen, ist ungewiss.

Gravierende Folgen für Wettervorhersage und Klimaforschung

Die Umlaufbahnen um 800 km werden insbesondere von Erdbeobachtungssatelliten genutzt. Der Verlust dieser Orbitalregion würde sich daher vor allem in der Wettervorhersage bemerkbar machen. Einer EUMETSAT-Studie zufolge würde die Genauigkeit der mittelfristigen Wettervorhersagen um 15 bis 20 Prozent abnehmen, wenn gleichzeitig alle europäischen und US-amerikanischen Satelliten in polaren Orbits ausfallen würden. Eine britische Studie bezifferte 2018 den Wert meteorologischer Daten für die britische Wirtschaft mit 670 bis 1000 Millionen Pfund jährlich.

Noch stärker betroffen wäre die Klimaforschung. Allerdings lässt sich der Schaden kaum in Zahlen ausdrücken. Viele der kontinuierlich durchgeführten Messreihen etwa von Meeresströmungen, Eismassen oder der Höhe des Meeresspiegels würden abreißen. Ohne Satelliten dürften sich die entstehenden Datenlücken allenfalls notdürftig schließen lassen.

Südhalbkugel hätte kaum terrestrische Alternativen

Die Folgen des Verlustes von Satellitendaten wären zudem ungleich verteilt: Die südliche Erdhalbkugel wäre davon ungleich härter betroffen, da dort sehr viel weniger terrestrische Infrastruktur vorhanden ist, auf die ausgewichen werden könnte. Ähnliches gilt für den Ausfall von satellitengestützten Kommunikationsnetzen. In den Städten des Nordens ließe er sich zweifellos leichter verkraften als in entlegeneren Regionen.

Internationale Regeln nötig

Vor diesem Hintergrund ist es keine Kleinigkeit, wenn ein Unternehmen die Vorgaben der Regulierungsbehörden ignoriert und einfach auf eigene Faust Satelliten in den Orbit schießt. Denn die drohende Vermüllung des erdnahen Weltraums lässt sich nur durch die Entwicklung und Etablierung allgemein gültiger Richtlinien und Regeln in internationaler Kooperation verhindern. Den Meinungsaustausch zwischen den verschiedenen Regierungsorganisationen zu organisieren, ist schon schwierig genug. Alle diejenigen, die sich damit abmühen, müssen das Verhalten von Swarm Technologies als Geste mit dem Stinkefinger empfinden.

Es wäre daher wohl angemessen gewesen, mit der Erteilung der Lizenz so lange zu warten, bis die illegal gestarteten Satelliten wieder aus dem Orbit entfernt gewesen wären. Die FCC hat sich jedoch mit einer Geldstrafe von 900.000 US-Dollar begnügt und den Start nachträglich genehmigt. Nun muss es also wieder einmal der Markt regeln, der sich indessen bei Fragen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes bislang nicht als besonders kompetent hervorgetan hat.

Nachhaltigkeit am Sternenhimmel – oder 'Collision Spotting'?

Vielleicht haben die heranrückende Klimakrise und Bewegungen wie Fridays for Future aber auch schon einen Wandel bewirkt. Vielleicht sind die potenziellen Kunden mittlerweile nicht mehr bereit, rücksichtslose Geschäftspraktiken zu billigen und wählen lieber etwas teurere, aber dafür nachhaltige Produkte.

Oder sind das nur Träumereien, die einem beim Anblick des Sternenhimmels in den Sinn kommen? Wahrscheinlicher ist es wohl, dass sich dort oben in den nächsten Jahren ein neues Unterhaltungsprogramm etabliert: Neben Sternschnuppen und den Iridium-Flares – dem kurzen Aufleuchten, wenn sich die Sonne in der Satelliten-Antenne spiegelt – mögen die Blitze von Kollisionen zu einer weiteren himmlischen Attraktion werden, das Collision Spotting zum neuen Hobby mit eigenen Websites, wo die besten Fotos ausgetauscht werden. Das hat auch etwas Beruhigendes: Selbst wenn eines Tages die Fernsehsatelliten ausfallen sollten – es gibt immer was zu gucken.
(tiw)



Quelle: https://heise.de/-4926343

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