Geschrieben von Hendrik am 09.11.2014 um 18:59:
an den fall der mauer und die folgende zeit kann ich mich noch sehr gut erinnern...so als wäre es erst gestern geschehen...dabei sinds nun doch schon wieder 25 jahre her...mein gott,wie die zeit rast...
abends wie immer erst die aktuelle kamera und im anschluss die tagesschau geschaut...
zu dem zeitpunkt war mir noch nicht wirklich bewusst,was ich da zu hören und sehen bekam bzw wie das ganze einzuordnen war...
am nächsten morgen (es war freitag) als erster auf der baustelle angekommen (zu dem zeitpunkt war ich malerlehrling im 2. lehrjahr und 17 jahre alt) kamen mir die eigentümer des hauses,welches wir gerade renovierten entgegen,drückten mir die schlüssel in die hand,sagten,butter,wurst und marmelade ist im kühlschrank,frische brötchen stehen auf dem küchentisch und wir sollen es uns schmecken lassen und verabschiedeten sich mit den worten "wir fahren jetzt in westen"...
am samstag gings dann mit nem kumpel zur volkspolizei,um den erforderlichen visumsstempel zu holen...
nach über 2 stunden wartezeit endlich dran,gabs die aussage,wir wären nicht volljährig und müssten entweder mit erziehungsberechtigten oder schriftlicher genehmigung dieser wieder erscheinen...
also wieder heim und muttern diese geschichte erzählt...
natürlich war die nicht sehr erfreut,schon allein der warterei wegen mitzukommen...
kurzerhand ein formloses schriftstück aufgesetzt und gleich noch vorsichtshalber ihren ausweis mitgenommen...
bei der vp angekommen an der schlange vorbei zum einlass und dem "genossen" erzählt,ich dürfe direkt an der schlange vorbei,da ich bereits schon einmal angestanden hätte und nur die erforderlichen unterlagen beibringen müsse...
schwups war ich drin...bekam das ersehnte stempelchen in beide ausweise,legte meinen obulus hin (ich glaube pro stempel 10 ostmark)...
am darauffolgenden montag und dienstag hatten mein kumpel und ich berufsschule in bitterfeld...also einfach mal fernbleiben war nicht...man hatte schliesslich eine ordentliche erziehung genossen...
am montag also im betrieb angerufen und urlaub für mittwoch beantragt...
die ersten sätze vom meister lauteten "willst wohl in westen, kommste denn wieder?"...
während einer freistunde noch zur staatsbank der ddr und die erst kürzlich getauschten forumschecks wieder in die gute d-mark getauscht,welches zu meinem erstaunen völlig unkompliziert klappte...
am dienstag abend gings dann endlich los...
mit dem letzten d-zug kurz vor 0 uhr richtung küste auf nach berlin...
am frühen morgen in schönefeld raus...mit der ersten s-bahn nach friedrichstraße...
dann durch die grenzkontrolle und weiter mit der s-bahn zum bahnhof zoo...
dort erstmal die nächste telefonzelle angesteuert und die verwandtschaft angerufen...
die hätten mit allem gerechnet,aber nicht,dass ich der erste sei,der unter 65 ist und sie mal besuchen käme...
das wiedersehen war natürlich sehr emotional...zumal es diesmal nicht in der "zone",sondern genau da statt fand,wo man als junger mensch bisher nur träumen konnte...
in der darauffolgenden zeit bin ich etwa jedes 3. wochenende nach berlin gefahren (bahnfahren war damals noch sehr günstig und die s-bahn war für ddr-bürger zu dem zeitpunkt frei) und erkundete mit hilfe meiner verwandten die große und geheimnisvolle stadt westberlin...
im rückblick betrachtet,war die zeit zwischen mauerfall und wiedervereinigung eine der geilsten zeiten meines lebens...
die ddr bestand quasi nur noch auf dem papier...
ich war jung und hatte alle freiheiten der welt...um nicht zu sagen,es war die zeit der freiheit und gesetzlosigkeit schlechthin...
Geschrieben von Erdfunkstelle am 09.11.2014 um 19:53:
Im Herbst 1989 diente ich als Soldat bei der NVA in Dresden. Dass die Ungarn die Grenze geöffnet haben, bekamen wir heimlich abends auf der Stube auf Kurzwelle bei RTL-Radio-Luxemburg mit.
Kritisch wurde es Anfang Oktober, als die Züge aus Prag durch den Dresdner Hauptbahnhof rollen mussten. Wir waren befohlen, in Kompaniestärke in voller Bewaffnung mit Kalaschnikow und zwei Magazinen pro Mann auszurücken in die Innenstadt. Sehr mulmiges Gefühl für uns 19, 20 jährige.
Der befehlshabende Polizeioffizier vor Ort ist bald durchgedreht, als unser Batallionskommandeur Meldung gemacht hat, was er denn so an Waffen dabei hat. Wir durften sofort wieder abrücken, zum Glück, Chaos pur.
Die nächsten Tage bis zum 9. Oktober mussten wir täglich vor Ort präsent sein, zur Abschreckung wohl, aber die Vernunft hat gesiegt.
Sehr prägend für uns junge Kerle.
Noch bis Anfang November waren wir in Alarmbereitschaft, sprich A & U Sperre, aber am 9. November war ich daheim und habe auf Rias 2 ungläubig gehört, was da in Berlin abgeht. Direkt hinzufahren hab ich mich nicht getraut, zwei Wochen später hab ich mir mit dem WDA als Ausweis das Begrüßungsgeld abgeholt in einer kleinen Spaarkasse in Kreuzberg.